„Tief ist der Brunnen der Vergangenheit“. So beginnt Thomas Manns Roman „Joseph und seine Brüder“. Und tatsächlich wird für das Denkmal für die Familie Mann und seine Fundamentierung in die Tiefe gegraben, es finden archäologische Untersuchungen statt, Bodenproben werden entnommen .… Seit 22.9.25 ist auf dem Salvatorplatz wieder Baubetrieb.
Grundlage sind die Planungen von Frosch Wollmann Architektur. Die archäologische Begleitung übernahm wieder sehr kompetent das Büro für Archäologie Neupert, Kozik & Simm. Mit der Ausführung wurde die Bauunternehmung K&M Ramaj beauftragt. Die Masten, Leuchten und Schilder bereitet das Baureferat München vor.
Im Mai 2024 kamen bei der obligatorischen archäologischen Begleitung der Grabung am Salvatorplatz für die Aufstellung des Denkmals für die Familie Mann Reste von Bestattungen auf dem Friedhof der nahegelegenen Salvatorkirche und der Friedhofsmauer zum Vorschein. Das Büro für Archäologie Neupert, Kozik & Simm war mit den Arbeiten beauftragt und barg ein Kinderskelett aus der Barockzeit. Der Friedhof war bis ca. 1800 in Betrieb. Eigentlich war dies bekannt, und der Friedhof ist auch als Bodendenkmal ausgewiesen, doch war man davon ausgegangen, dass wegen der zahlreichen Baumaßnahmen am Platz nach 1945 und eines Luftschutzkellers unter dem Platz keine Funde zu erwarten seien. Bei einer Begehung des Kellers unterhalb der Salvatorgarage stellte sich jedoch heraus, dass dieser sich komplett unter dem Gebäude befindet, nur ein schmaler Laufgang unter dem Platz gelegen ist.
Den Platz komplett bis auf die geplante Fundamenttiefe von teils bis zu 1,90 m aufzugraben und archäologisch untersuchen zu lassen, wäre mit sehr hohem Kosten- und Zeitaufwand verbunden, so dass ein Baustopp und anschließend ein Rückbau bis zur Klärung der Lage geboten war.
Die Funde, gerade bei Baubeginn, waren ein harter Schlag und brachten mich in Zwiespalt: Einerseits interessiere ich mich selbst für Geschichte und Archäologie; Sichten, Sammeln, Dokumentieren von Fundstücken sind Teil meiner künstlerischen Praxis. Und die Grabungen stießen auch auf Interesse von Passanten und Mitarbeitern des Literaturhauses. Der Salvatorplatz verwandelte sich für kurze Zeit in eine Ausgrabungsstätte, an der Überreste vergangener Lebenswelten und ehemaliger Stadtbewohner sichbar wurden – ein an sich spannender Prozess. Und dass die Familie Mann hier ein Denkmal bekommen soll, wo auch Lebensspuren anderer Familien vorhanden sind, erscheint passend. Andererseits wurde eben durch die Funde der langersehnte Abschluss des Denkmalprojekts verhindert, das sich schon über mehrere Jahre hinzieht. Die Ausgrabungen setzten eine Kette von erneuten Abstimmungsprozessen mit den Denkmalschutzbehörden in Gang, u.a. mit dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege, wo das Projekt am Salvatorplatz zeitweise in Frage gestellt schien, nicht im Hinblick auf das Bodendenkmal, sondern grundsätzlich; Abteilungen, die vorher nicht beteiligt waren, schalteten sich ein, der Landesdenkmalrat – ein Gremium, von dessen Existenz ich vorher nichts wusste – wurde um Stellungnahme gebeten und gab das Thema wieder an die Denkmalpflege zurück, ich wurde aufgefordert, eine erneute Projektbeschreibung mit Visualisierungen einzureichen, aus der die Wirkung im Ensemble „München nach 1945“ klarer hervorgehen sollte …
Die zentrale Lage in der Altstadt hat also ihre Tücken. Dennoch bleibt der Standort für das Denkmal inhaltlich ideal, in unmittelbarer Nachbarschaft des Literaturhauses, mit seiner Verbindung zur Literatur und insbesondere seinem „Hausheiligen“ Thomas Mann. Auch hatte ich den Entwurf genau für den Platz konzipiert, als Versammlung der über die Stadt verstreuten Schilder an einem zentral gelegenem Ort, mit den hochaufragenden, Licht spendenden Leuchten. Anfang des Jahres 2025 wurde ein grundsätzliches Einverständnis des Denkmalschutzes mit dem Denkmal signalisiert, was sich in einer Genehmigung für weitere (archäologische) Grabungen manifestierte. Nun müssen gemäß der Empfehlung die Fundamente für die Leuchten flacher geplant, technische Lösungen für die veränderte Ausgangslage gefunden werden. Die Planungen gehen jetzt weiter! Mit im Boot ist seit Mai 2025 das ArchitekturbüroFrosch Wollmann Architektur. Ich hoffe, dass das Denkmalprojekt, wenn nicht im Zauberberg-Jahr 2024, so doch im Thomas-Mann-Jahr 2025 zum Abschluss kommt!
14.5.24: Auf der Baustelle für das Denkmal am Salvatorplatz werden die Fundamente der Straßenleuchten markiert, mit Farbspray und Kreide. Es entsteht eine Choreographie sich teils überschneidender Kreise und Flächen, mit Korrekturen und eingeschriebenen Zahlen. Die Markierung der vorhergehenden Versetzung einer Leuchte ist noch sichtbar. Auch wenn dies alles wieder verschwinden wird: ein Moment der Zeichnung im öffentlichen Raum.
Eine am Platz vorhande Leuchte wurde im April 2024 zur Platzmitte hin versetzt und in das zukünftige Ensemble integriert. Es ist die Leuchte, die später das neu angefertigte Schild „Katia-Mann-Platz“ tragen wird. Die Kombination der Leuchte vom Typ eines historischen Kandelabers, die bereits am Platz steht, mit dem Namen der in München aufgewachsenen Katia Pringsheim ist bewusst gewählt. Mit der Versetzung der Leuchte, noch vor der Installation des Restes des Ensembles, entsteht am Platz eine erst auf den zweiten Blick wahrnehmbare Veränderung. Eine interessante Zwischenstufe des Denkmals, auch zusammen mit dem bereits montierten Schild an der Fassade.
Außerdem wird Strom verlegt. Dank an das Baureferat für die Planung und Organisation und die Firma SPIE für die Ausführung der Arbeiten!
Der Salvatorplatz München, wo das Denkmal für die Familie Mann aufgestellt werden soll, wird schon mal „vorgewärmt“ und aktiviert: Schüler des Thomas-Mann-Gymnasiums und der Mittelschule an der Peslmüllerstraße, Pasing, erkundeten am 6.3.24 physisch den Platz, sie bildeten dort u.a. eine lebendige Kette um die Fläche, auf der Straßenschilder und Leuchten in Erinnerung an die Mitglieder der Familie Mann stehen werden. Und das bei Regen! Die Aktion ist Teil eines Programms zur Kunstvermittlung von Kunst im öffentlichen Raum an Schulen, geleitet von Barbara Dabanoğlu.