Nach langer Corona-Pause wieder Fahrten zu den Orten der Manns, in die Schweiz, zur Entgegennahme von Leuchten und Schildern. Zwar ließe sich das per Post senden, doch finde ich es interessant, zu den Orten und Leuten (freudscher Vertipper: Leuchten) zu fahren, selbst wenn das mehr Arbeit macht.
Es ist bereits der dritte Besuch: Im Frühjahr 2019 war ich in Zürich, wo eine Straße nach Erika Mann benannt ist, und im nahen Kilchberg, wo die Manns nach ihrer Rückkehr aus den USA wohnten (siehe Blogeintrag). Dann im Juli 2020, um von dort eine Leuchte holen,– um beim Auspacken festzustellen, dass es nicht derselbe Typ war wie vor dem ehemaligen Haus der Manns. Und jetzt, im August, um die „richtige“ Leuchte und Straßenschilder entgegenzunehmen.
Zürich war für die Familie Mann ein eminent wichtiger Ort, an den sie immer wieder zurückkehrten: Hier am Zürichsee in Küsnacht war 1935 der erste Wohnort nach der Emigration in Sanary-sur-Mer, dann, nach der Rückkehr aus den USA, am gegenüberliegenden Ufer, in Kilchberg, der letzte von Thomas, Katia, lange auch von Erika und Golo. Hier gingen Michael und Elisabeth zur Schule, besuchten Konservatorien zur Musikausbildung. Hier führte Erika 1933–36 das den Nationalsozialisten verhasste Kabarett „Die Pfeffermühle“ weiter. Fast die gesamte Truppe war mit ins Exil gegangen.
Es sind zwei Schilder, eines mit Informationen zur Person, wie es sie auch am Klaus-Mann-Platz in Frankfurt und in der Erika-Mann-Str. in München gibt. Interessant die Unterschiede, die auf die Herkunft des Schildes und die Rezeption der Person verweisen: So steht in Zürich „Deutsche Journalistin“ – was in Deutschland als selbstverständlich erachtet wurde; es gibt unterschiedliche Schrifttypen und Schreibweisen (das schweizerische „Strasse“ und das deutsche „Straße“). All dies unterstreicht die Internationalität der Familie.
Erst seit wenigen Jahren, seit 2011, gibt es die Erika-Mann-Strasse in Zürich-Oerlikon. Das Viertel ist geprägt von Backsteinfassaden ehemaliger Maschinenfabriken, wo jetzt nagelneue Messehallen, Büros, Parks und Wohnblocks sind. Das Quartier erinnert an das in München mit der Erika-Mann-Straße und dem Klaus-Mann-Platz. Auf Veränderung und „Aufwertung“ verweisen auch die Wegweiser zu Hotels, Sportanlagen, Clubs. Ganz oben sind Straßennamen angebracht, und diese sind ebenfalls Ausdruck von Veränderung und Neugestaltung: Man hat Namen der literarisch-künstlerischen Moderne gewählt, siehe die „Nachbarn“ von Erika Mann, Elias Canetti und Ricarda Huch, und dabei verstärkt Frauen berücksichtigt, z.B. Else Lasker-Schüler, Sophie Tauber und Therese Giehse. Letztere verweist auch auf Erika: Giehse war Schauspielerin, Mitbegründerin des Kabaretts „Die Pfeffermühle“ – und Erikas langjährige Freundin und Lebenspartnerin.
Diese Schilder der Erika-Mann-Strasse bekomme ich in Zürich im Department für Tiefbau und Entsorgung, zentral am Werdmühleplatz. Die Flügeltüren öffnen sich automatisch, wie auch im Kulturreferat München, was für Menschen mit Behinderung (und Lasten) gedacht ist, darüber hinaus aber Offenheit, Öffentlichkeit signalisiert. Zunächst bin ich etwas erstaunt, die Stelle für Kunst im öffentlichen Raum hier zu finden, und nicht in ein Amt für Kultur integriert, aber es ergibt Sinn: Man ist so in der Nähe von ganz konkreten Bauplanungen und urbanistischen Vorhaben.
Ich bekomme die Schilder überreicht von der Direktorin des Bauamtes, Simone Rangosch. Organisiert hat das Sara Izzo von der Fachstelle für Kunst im öffentlichen Raum der Stadt Zürich. Als ich die Schilder sehe und in Händen halte, bin ich von der Größe doch überrascht – das mit den Informationen ist nur wenig kleiner als ein Snowboard. Es sind tatsächlich die Exemplare aus der Erika-Mann-Straße, die gegen neu produzierte ausgetauscht wurden. Leichte Gebrauchsspuren verweisen darauf, dass sie bereits im Einsatz waren.
Vom Büro KiöR Anruf beim Elektrizitätswerk des Kantons Zürich: Es ist gelungen, eine baugleiche Leuchte zu der aus Kilchberg aufzutreiben. Auf nach Wädiswil, hinter Kilchberg am Züricher See gelegen. Dort kann ich sie von Georg Oetiker in Empfang nehmen, von der Werkbank weg. Sie stammt aus den 1950er Jahren, was sich in kantigem Design und Metallgehäuse widerspiegelt, also aus der Zeit, als die Manns nach Kilchberg zogen. Ich transportiere sie auf einem kleinen Klapptrolley.
Zurück in Zürich, hole ich die verpackten Schilder. Im Eingangsbereich des Amtshauses gibt es rechts und links Metallrohre an der Wand, wohl eine Heizung. Die Situation reizt mich zu einer Spontaninstallation der Straßenschilder, die sich in die Zwischenräume einklemmen lassen.
Das Gebäude stammt aus den 1930er Jahren, also genau der Zeit, in der Erika und die weiteren Manns in die Schweiz kamen und sich in Zürich und Umgebung aufhielten. Vor der Tür befinden sich im Eingang Reliefs zum Thema „Arbeit“, die sowohl zum bevorstehenden Transport als auch zum Familiennamen „Mann“ passen: Dargestellt sind Bauarbeiter, kräftige Männer, darunter schultert einer ein langes rechteckiges Objekt und trägt es – es könnte auch ein Straßenschild sein …