Leichtigkeit des Seins – Denkmal, VR

Kürz­lich konn­te ich end­lich zwi­schen Leuch­ten und Schil­dern des Denk­mals für die Fami­lie Mann am Sal­va­tor­platz umher­ge­hen. Hier das Ensem­ble der dicht ste­hen­den Leuch­ten aus Mün­chen, Rom und ande­ren Städ­ten in Augen­schein neh­men, dort die aus New York, dort die aus São Pau­lo. Konn­te den Arm die­ser Leuch­te dre­hen, die­sen Mast etwas ver­schie­ben, den Ein­druck testen.

Dies fand statt in in der Hal­le 6, einem Stu­dio in Mün­chen. Flo­ri­an Froe­se-Peek hat­te das digi­ta­le Modell für eine VR-Simu­la­ti­on ein­ge­rich­tet. Die Erfah­rung ähnel­te ande­ren mit vir­tu­el­ler Rea­li­tät, die ich spo­ra­disch bei Aus­stel­lun­gen gemacht hat­te, war jedoch län­ger und inten­si­ver. Mei­ne Rol­le war auch anders: Ich war kein blo­ßer Betrach­ter, son­dern durf­te mich als Akteur, Archi­tekt, Ent­wer­fer füh­len – was ich ja fak­tisch auch bin. Und einen Raum betre­ten mit Objek­ten, die nicht der Fik­ti­on ent­stam­men, son­dern mir aus ande­ren Model­len und aus der Anschau­ung ver­traut sind, mit denen ich inzwi­schen eine emo­tio­na­le Bezie­hung auf­ge­baut habe, die ich mir wün­sche; und so war es eine selt­sa­me Mischung aus real und fik­tio­nal, aus einem Arbeits­pro­zess, der sich auf ein vor­han­de­nes Pen­dant bezieht, der aber auch Momen­te des „als ob“, des Spie­le­risch-Leich­ten hat­te.

Nach dem Anle­gen der Bril­le und dem Grei­fen der Steu­er­sticks, die Exten­sio­nen des Kör­pers, gleich­zei­tig Schnitt­stel­len zwi­schen real und vir­tu­ell dar­stel­len, wird zunächst eine Raum­be­gren­zung, eine leuch­ten­de Linie auf den Boden gezeich­net, eine Art Spiel­feld, inner­halb des­sen man sich bewegt. Geht man dar­über hin­aus, stößt man auf eine Wand, die war­nend auf­leuch­tet, man kann Arme oder den Kopf hin­durch­ste­cken; es tun sich Löcher auf, rot umran­det, hin­ter denen die nack­te Rea­li­tät zum Vor­schein kommt, Wän­de, Türen.

Die ent­ste­hen­de Modell-Welt ist schön auf­ge­räumt, redu­ziert auf die für uns wesent­li­chen Ele­men­te zur Beur­tei­lung des opti­schen Ein­drucks. Um ein mög­lichst rea­lis­ti­sches Bild zu bekom­men, glei­chen wir die Betracht­erhö­he mit den Maßen der Leuch­ten ab, ver­glei­chen Son­nen­stand und Ein­falls­win­kel des Lichts mit den Bedin­gun­gen am Sal­va­tor­platz. Es geht also sehr viel um 1:1 Ent­spre­chun­gen, gar nicht um die Schaf­fung einer Fan­ta­sie­welt.
Reiz­voll sind Din­ge, die drü­ber­hin­aus­ge­hen, ein­fach pas­sie­ren, die auf klei­nen Pro­gramm­feh­lern oder selb­stän­di­gen Dyna­mi­ken beru­hen: Das Lite­ra­tur­haus sieht in der Fron­tal­an­sicht aus, als ob dort Eis­za­cken wüch­sen, die Quer­wän­de sind aus­ge­fa­sert. Und Gras wächst auf der Leuch­te aus Sana­ry-Sur-Mer, wir wis­sen nicht war­um, viel­leicht hat das Pro­gramm eini­ge deko­ra­ti­ve Ele­men­te aus sei­ner Gar­ten­ab­tei­lung hin­zu­ge­fügt, hat mit der grü­nen Far­be des Mas­ten Rasen asso­zi­iert … Das wür­de auch gut zur Aus­stel­lung „glitch – die Kunst der Stö­rung“ pas­sen, die zur Zeit in der Pina­ko­thek der Moder­ne zu sehen ist.

Es ist ein span­nen­der Moment, als ich per Steu­er­knüp­pel abhe­be, den Stand­punkt vom Boden in die Höhe ver­schie­be, in der Luft, in sechs Metern her­um­ge­he, par­al­lel zu den Fens­tern des Lite­ra­tur­hau­ses, die Instal­la­ti­on von dort aus betrach­te. Es ist tat­säch­lich sehr nahe an einer rea­len Erfah­rung, dem Balan­cie­ren auf einem dün­nen Steg, dem Gang auf einer Glas­plat­te, ja dem Flie­gen. Man sieht nach unten, die Mas­ten und Leuch­ten ver­klei­nern sich, die Lini­en der Gebäu­de stür­zen, Schwin­del­ge­füh­le stei­gen auf. Dies ist ein Unter­schied zu Momen­ten des Flie­gens in Träu­men, wo man sich sicher fühlt, gelöst, selbst­ver­ständ­lich. VR ist hier viel näher an der Rea­li­tät, da es ja auch mit deren Para­me­tern und rück­ge­kop­pel­ten Sin­nes­ein­drü­cke arbei­tet.

Flo­ri­an sieht die­se Erfah­rung der vir­tu­el­len Rea­li­tät eher als Mit­tel zum Zweck, als Test­pro­gramm, und da er die­se Metho­de häu­fi­ger benutzt bei Pro­jek­ten im öffent­li­chen Raum, ist sie für ihn auch nichts Außer­ge­wöhn­li­ches mehr. Er bemerkt, und ich kann das bestä­ti­gen, dass es auch anstren­gend sei, sich in die­sen vir­tu­el­len Räu­men zu bewe­gen, von der Kon­zen­tra­ti­on und der kör­per­li­chen Sen­so­mo­to­rik her, dem stän­di­gen Abgleich der Ein­drü­cke und Bewe­gun­gen. Und da die Ästhe­tik stark der von Com­pu­ter­spie­len ähn­le bzw. auf sol­che Anwen­dun­gen abge­stimmt sei, habe man danach kaum mehr Lust auf sol­che Spie­le in sei­ner „Frei­zeit“. Spiel und Arbeit wer­den also mit­ein­an­der vermischt.

Die Leich­tig­keit, mit der sie sich erstel­len und ver­än­dern las­sen, macht Model­le attrak­tiv. Doch haben sie ihre eige­ne Rea­li­tät und ihr Eigen­le­ben, sind kei­ne blo­ßen Zwi­schen­stu­fen auf dem Weg zum End­ergeb­nis. Das ist beim Modell aus Pap­pe und Kar­ton so, eben­falls beim VR-Modell. Und sie gehö­ren alle zum Denk­mal und sei­nem Entstehungsprozess.

Leuchten-Markierungen

14.5.24: Auf der Bau­stel­le für das Denk­mal am Sal­va­tor­platz wer­den die Fun­da­men­te der Stra­ßen­leuch­ten mar­kiert, mit Farb­spray und Krei­de. Es ent­steht eine Cho­reo­gra­phie sich teils über­schnei­den­der Krei­se und Flä­chen, mit Kor­rek­tu­ren und ein­ge­schrie­be­nen Zah­len. Die Mar­kie­rung der vor­her­ge­hen­den Ver­set­zung einer Leuch­te ist noch sicht­bar. Auch wenn dies alles wie­der ver­schwin­den wird: ein Moment der Zeich­nung im öffent­li­chen Raum.

Baustelle Salvatorplatz – to be continued!

Eine am Platz vor­han­de Leuch­te wur­de im April 2024 zur Platz­mit­te hin ver­setzt und in das zukünf­ti­ge Ensem­ble inte­griert. Es ist die Leuch­te, die spä­ter das neu ange­fer­tig­te Schild „Katia-Mann-Platz“ tra­gen wird. Die Kom­bi­na­ti­on der Leuch­te vom Typ eines his­to­ri­schen Kan­de­la­bers, die bereits am Platz steht, mit dem Namen der in Mün­chen auf­ge­wach­se­nen Katia Pringsheim ist bewusst gewählt.
Mit der Ver­set­zung der Leuch­te, noch vor der Instal­la­ti­on des Res­tes des Ensem­bles, ent­steht am Platz eine erst auf den zwei­ten Blick wahr­nehm­ba­re Ver­än­de­rung. Eine inter­es­san­te Zwi­schen­stu­fe des Denk­mals, auch zusam­men mit dem bereits mon­tier­ten Schild an der Fassade.

Außer­dem wird Strom ver­legt. Dank an das Bau­re­fe­rat für die Pla­nung und Orga­ni­sa­ti­on und die Fir­ma SPIE für die Aus­füh­rung der Arbeiten!

Rue Thomas Mann, Paris – am Salvatorplatz

Rue Tho­mas Mann, Paris, 2018. Pho­to: Eva-Maria Troelenberg

Als ers­ter Bestand­teil des Denk­mals für die Fami­lie Mann wur­de im April 2024 das Schild „Rue Tho­mas Mann“ im cha­rak­te­ris­ti­schen Pari­ser Design am Sal­va­tor­platz in Mün­chen instal­liert, an der Fas­sa­de der Sal­vat­or­ga­ra­ge.
Es nimmt Bezug auf die Stra­ße in Paris, die dort seit 1995 an den „Écri­vain alle­mand“ erin­nert, wie auf dem Schild auch steht. Sie liegt im 13. Arron­dis­se­ment, im zeit­gleich zur Benen­nung neu­ge­stal­te­ten moder­nen Stadt­vier­tel „Gare“, in Nach­bar­schaft der Biblio­t­hè­que Fran­çois-Mit­ter­rand (Fran­zö­si­schen Natio­nal­bi­blio­thek, BnF), was die Wahl des Schrift­stel­lers als Namens­ge­ber umso plau­si­bler macht.
Das Schild steht für die lite­ra­ri­schen, aber auch poli­ti­schen deutsch-fran­zö­si­schen Bezie­hun­gen und die Rol­le, die Tho­mas Manns dabei ein­nahm. Er schätz­te u.a. die Brü­der Gon­court sehr, bezog ent­schei­den­de Anre­gun­gen aus ihren Wer­ken für sei­nen Fami­li­en­ro­man „Bud­den­brooks“. Und er war der ers­te deut­sche Schrift­stel­ler, der nach dem 1. Welt­krieg im in Paris öffent­lich auf­trat, um eine Rede zu hal­ten: „Die geis­ti­gen Ten­den­zen des heu­ti­gen Deutsch­lands“. In der Rol­le eines inof­fi­zi­el­len Kul­tur­bot­schaf­ters der Wei­ma­rer Repu­blik warb Mann für die deutsch-fran­zö­si­sche Freund­schaft und die Völ­ker­ver­stän­di­gung – sie­he auch sein Bericht über die Rei­se und den Auf­ent­halt, „Pari­ser Rechen­schaft“. Die Benen­nung ist auch ein Spie­gel der spä­te­ren poli­ti­schen Bezie­hun­gen zwi­schen bei­den Län­dern, die sich in den 1990er-Jah­ren intensivierten.

Der Instal­la­ti­on am Sal­va­tor­platz vor­aus­ge­gan­gen war ein län­ge­rer Pro­zess der Recher­che und Kon­takt­auf­nah­me, unter ande­rem über das Goe­the-Insti­tut Paris. Letz­lich wur­de von der Stadt Paris die Frei­ga­be zur Repro­duk­ti­on des Schil­des erteilt, aus­ge­führt von der Fir­ma LACROIX Signa­li­sa­ti­on/Signaclic, die auch für die Stadt Paris arbeitet. 

Da in Paris Stra­ßen­schil­der vor­wie­gend an Haus­fas­sa­den ange­bracht wer­den, galt es in Mün­chen eine ent­spre­chen­de Stel­le zu fin­den. Die Fas­sa­de der Sal­vat­or­ga­ra­ge bot sich an, dafür wur­de das Ein­ver­ständ­nis des Amts für Denk­mal­pfle­ge ein­ge­holt, sowie der Päch­ter bzw. Eigen­tü­mer, der Bava­ria Park­ga­ra­gen GmbH und der Baye­ri­schen Haus­bau.

Die Mon­ta­ge selbst nahm in Zusam­men­ar­beit mit Albert Coers Flo­ri­an Froe­se-Peek vor. 

Denkmalstrom

Der Strom­kas­ten für das Denk­mal ist gesetzt, das ja auch aus Stra­ßen­leuch­ten bestehen soll. Er befin­det sich an der Jung­fern­turm­stra­ße, an der alten Stadt­mau­er, neben wei­te­ren Anschluss­käs­ten.
Gegen­wart trifft auf Geschich­te, die Mau­er aus dem typi­schen Rot­zie­gel war Teil der mit­tel­al­ter­li­chen Stadt­be­fes­ti­gung Mün­chens und stammt aus dem 15. Jahr­hun­dert. Leicht erkenn­bar ist der wei­ße neue, pas­send zum Stra­ßen­na­men, jung­fräu­li­che Kubus – er ist noch nicht mit Graf­fi­ti-tags besprüht und noch nicht ver­wit­tert.
Es war mir wich­tig, dass der Strom­kas­ten nicht am Sal­va­tor­platz selbst steht und dort ein wei­te­res skulp­tu­ra­les Ele­ment bil­det, zusätz­lich zu den Schil­dern und Leuch­ten. Auch gibt es so kei­ne Pro­ble­me mit dem Denk­mal­schutz, der gegen die Auf­stel­lung vor der geschütz­ten Fas­sa­de Ein­wän­de gehabt hät­te. Das bedeu­tet eini­gen Auf­wand, denn vom Kas­ten muss noch ein Kabel zum Platz gelegt wer­den. Aber ich bin froh über die Ent­schei­dung und dar­über, dass schon mal der Kas­ten steht – damit ein ers­tes Ele­ment des Denk­mals und sei­ner Infra­struk­tur.
Dank an die Fir­ma Wal­ter Ehmann!

Aktivierung Salvatorplatz – Denkmal für die Familie Mann

Der Sal­va­tor­platz Mün­chen, wo das Denk­mal für die Fami­lie Mann auf­ge­stellt wer­den soll, wird schon mal „vor­ge­wärmt“ und akti­viert: Schü­ler des Tho­mas-Mann-Gym­na­si­ums und der Mit­tel­schu­le an der Peslmül­lerstra­ße, Pasing, erkun­de­ten am 6.3.24 phy­sisch den Platz, sie bil­de­ten dort u.a. eine leben­di­ge Ket­te um die Flä­che, auf der Stra­ßen­schil­der und Leuch­ten in Erin­ne­rung an die Mit­glie­der der Fami­lie Mann ste­hen wer­den. Und das bei Regen! Die Akti­on ist Teil eines Pro­gramms zur Kunst­ver­mitt­lung von Kunst im öffent­li­chen Raum an Schu­len, gelei­tet von Bar­ba­ra Daba­noğ­lu.

Foto: Jadran­ka Kosorcic

Gewichtige Informationen – Erläuterungstafeln zu den Manns

Als Ergän­zun­gen zu den Stra­ßen­be­nen­nungs­schil­dern aus Mün­chen sind Tafeln fer­tig gewor­den, die Infor­ma­tio­nen zu den Mit­glie­dern der Fami­lie lie­fern und unter­halb der Schil­der ange­bracht wer­den. Zusatz­in­for­ma­tio­nen sind somit inte­gra­ler Bestand­teil des Denk­mals.
Die Tex­te lie­fern knap­pe Bio­gra­phien zu Tho­mas, Katia, Klaus, Eri­ka, Golo Mann und Eli­sa­beth Mann. Sie ent­stan­den in Zusam­men­ar­beit mit dem Kul­tur­re­fe­rat der Stadt Mün­chen, Abtei­lung Public Histo­ry (ehe­mals Insti­tut für Stadt­ge­schich­te und Erin­ne­rungs­kul­tur). Die tech­ni­sche Rea­li­sie­rung über­nahm das Bau­re­fe­rat München. 

Bis­lang gab es die­se Schil­der nur für Tho­mas, Klaus und Eri­ka Mann. Inso­fern lag es für mich nahe, alle Münch­ner Stra­ßen­na­men mit sol­chen Ergän­zungs­schil­dern zu ver­se­hen und um sol­che für Katia, Golo und Eli­sa­beth Mann zu ergänzen. 

Die Schil­der sind aus email­lier­tem Metall und daher im Ver­gleich zu ihrer Grö­ße (15 x 45 cm) ziem­lich schwer. Anlaß, die Schil­der auf eine Per­so­nen­waa­ge zu legen – und das Gewicht der Namen und Infor­ma­tio­nen zu testen.

MANN Ave, New York – Straßenschilder unterwegs

Nach wei­ter Rei­se ist das Schild der Mann Ave aus New York ange­kom­men, es soll Bestand­teil des Denk­mals am Sal­va­tor­platz Mün­chen werden. 

„MANN Ave, New York – Stra­ßen­schil­der unter­wegs“ weiterlesen

Vortrag: Ein Denkmal für die Familie Mann, Tagung „Vor Ort: Erinnerung, Exil, Migration“, 3.9.2021

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Am 3.9.2021 hält Albert Coers einen Vor­trag zum Denk­mal für die Fami­lie Mann, auf der Online-Tagung „Vor Ort: Erin­ne­rung, Exil, Migra­ti­on“, Jah­res­ta­gung der Gesell­schaft für Exil­for­schung in Koope­ra­ti­on mit dem NS-Doku­men­ta­ti­ons­zen­trum Mün­chen, 3.–4.9.2021.

Die Jah­res­ta­gung 2021 beschäf­tigt sich mit Orten des Exils und der Migra­ti­on und ihrem Ver­hält­nis zu Erin­ne­rungs­kul­tu­ren und regt den Aus­tausch zwi­schen der Exil­for­schung und ande­ren For­schungs­rich­tun­gen an, die sich mit (erzwun­ge­ner) Migra­ti­on und Flucht befassen.

Mehr Infor­ma­tio­nen, Pro­gramm und Amel­dung hier.

Straßenschilder aus München – unter Dach und Fach

Im Mai 2020 wur­den die Schil­der von Tho­mas Mann, Golo, Eri­ka, Klaus, Eli­sa­beth fer­tig, nach denen in Mün­chen Stra­ßen und Plät­ze benannt sind – und auch die extra ange­fer­tig­ten Schil­der für Katia Mann, für die bis­her noch kei­ne Benen­nung exis­tier­te. Ich konn­te sie beim Bau­re­fe­rat Mün­chen abholen.

„Stra­ßen­schil­der aus Mün­chen – unter Dach und Fach“ weiterlesen

Klaus Mann, Thomas Mann und der Frankfurter Engel

Die Unter­schie­de zwi­schen den ein­zel­nen Manns und ihrer Rezep­ti­on tre­ten auch in den Stra­ßen­na­men und ihren Schil­dern zuta­ge. Frank­furt ist eine der weni­gen Städ­te – neben Mün­chen die ein­zi­ge – in der eine Stra­ße oder ein Platz nach Klaus Mann benannt ist. Ich rufe bei der Stadt Frank­furt an und fra­ge nach dem Schild, um es ins Denk­mal ein­zu­bau­en. „Tho­mas Mann kön­nen sie gleich haben, Klaus Mann haben wir lei­der gera­de nicht“ ist die Auskunft. 

„Klaus Mann, Tho­mas Mann und der Frank­fur­ter Engel“ weiterlesen

Konzept

Das Denk­mal für die Fami­lie Tho­mas Mann besteht aus Schil­dern von Stra­ßen, die nach Mit­glie­dern der Fami­lie benannt sind, und aus 15 Stra­ßen­leuch­ten. Die­se stam­men aus Mün­chen, aber auch aus ande­ren Orten der Welt, die mit der Fami­lie Mann in Bezug ste­hen, mit Tho­mas Mann, sei­ner Frau Katia und ihren Kin­dern Klaus, Eri­ka, Golo, Eli­sa­beth, Micha­el und Monika.

In Schil­dern und Leuch­ten spie­gelt sich die Inter­na­tio­na­li­tät der Fami­lie Mann wider, von Mün­chen aus­ge­hend, mit Lebens- und Wir­kungs­or­ten in Euro­pa, den USA und Süd­ame­ri­ka, gleich­zei­tig ihre welt­wei­te lite­ra­ri­sche Aus­strah­lung und Bedeu­tung. Dies ist auch anhand der unter­schied­li­chen Stra­ßen­be­zeich­nun­gen (Via, Rue, Rua…) ables­bar. Die Auf­stel­lung ori­en­tiert sich an der Lage der Orte zuein­an­der und bil­det eine ima­gi­nä­re Kar­te. Ange­spro­chen sind Aspek­te von Orts­ver­bun­den­heit, gleich­zei­tig Emi­gra­ti­on, Orts­wech­sel sowie grenz­über­schrei­ten­dem Welt­bür­ger­tum, wofür die Fami­lie als Bei­spiel gel­ten kann.

Die bau­li­che Fer­tig­stel­lung des Denk­mals ist für Frühjahr/Sommer 2024 geplant. 

Albert Coers: Aus­füh­rungs­Ent­wurf 2021, Per­spek­ti­ve, Zeich­nung: Flo­ri­an Froese-Peek


Aus­gangs­punkt sind Situa­tio­nen in Mün­chen, dem lang­jäh­ri­gen Lebens­mit­tel­punkt der Fami­lie. Hier gibt es inzwi­schen meh­re­re Stra­ßen und Plät­ze, die nach Mit­glie­dern der Fami­lie benannt sind, nach Eri­ka, Klaus, Eli­sa­beth, Golo. Jedoch lie­gen die­se an wenig fre­quen­tier­ten Orten, in Neu­bau­ge­bie­ten, an der Peri­phe­rie, sind so im kol­lek­ti­ven Gedächt­nis wenig prä­sent. Die­se Schil­der, samt der Lam­pen, an denen sie befes­tigt sind, wer­den ins Zen­trum der Stadt gebracht, als Grup­pe ver­sam­melt und dadurch stär­ker sicht­bar. Es fin­det eine „Fami­li­en­zu­sam­men­füh­rung“ statt. Gleich­zei­tig ver­wei­sen Schil­der und Lam­pen zurück auf ihre ursprüng­li­chen Stand­or­te. Damit betont das Denk­mal den Bezug zu urba­nen Strukturen. 

Namen

Für Katia Mann, nach der bis­her kei­ne Stra­ße und kein Platz benannt ist, wird ein neu­es Schild geschaf­fen. Ange­bracht ist es an einer auf dem Platz vor­han­den­denen Leuch­te, die um weni­ge Meter ver­setzt und so in die Grup­pe der wei­te­ren Leuch­ten des Denk­mals ein­be­zo­gen wird.
Dies macht „Frau Tho­mas Mann“ stär­ker im Bezug zur Stadt sicht­bar, war sie doch gebür­ti­ge Münch­ne­rin und ent­stamm­te der jüdi­schen Fami­lie Pringsheim, die, wie die Manns, ihren Besitz ver­lo­ren und emi­grie­ren muss­ten. Die Benen­nung im Denk­mal nimmt vor­weg, was eigent­lich ein lang­wie­ri­ger Pro­zess wäre. Die­se Mischung von Rea­li­tät und Fik­ti­on ist auch Ver­weis auf lite­ra­ri­sche Ver­fah­ren, wie sie Tho­mas oder auch Klaus Mann praktizierten.


Leuch­ten

Neben Leuch­ten und Schil­dern aus Mün­chen, die erin­nern an Tho­mas, Eri­ka, Klaus, Golo Mann und Eli­sa­beth Mann Bor­ge­se, zei­gen wei­te­re die Spann­wei­te zwi­schen Euro­pa, Nord- und Süd­ame­ri­ka, stel­len Bezü­ge her.
Ein Stra­ßen­schild „Rue Tho­mas Mann“ stammt aus Paris und wird gemäß der dort übli­chen Anbrin­gung an der Wand der Sal­vat­or­ga­ra­ge zu sehen sein. Lübeck ist als Geburts­ort von Tho­mas Mann und Schau­platz von „Bud­den­brooks“ ver­tre­ten, mit einer Lam­pe vor der dor­ti­gen Tho­mas-Mann-Schu­le und einem Schild nach Tho­mas-Mann-Stra­ße. Aus Frank­furt stam­men Lam­pe und Schild vom Klaus-Mann-Platz, Stand­ort eines Denk­mals für ver­folg­te Homo­se­xu­el­le von Rose­ma­rie Trockel („Frank­fur­ter Engel“); damit ist ein Bestand­teil der Iden­ti­tät meh­re­rer Fami­li­en­mit­glie­der inbegriffen.

Rom ist mit dem Schild „Via Tho­mas Mann“ und Leuch­te prä­sent als Auf­ent­halts­ort von Tho­mas (und Hein­rich) Mann in jun­gen Jah­ren. Für den süd­ame­ri­ka­ni­schen Teil (Tho­mas Manns Mut­ter Julia stamm­te aus Bra­si­li­en) ste­hen Straßenlampe/Schild aus São Pau­lo.

Eine Leuch­te kommt dage­gen aus Nida/Nid­den in Litau­en, bevor­zug­te Som­mer­fri­sche der Fami­lie Mann, wo sie vor dem Feri­en­haus der Manns steht, heu­te Tho­mas-Mann Haus, ein Kul­tur­zen­trum und Muse­um. Sana­ry-Sur-Mer an der Côte d’Azur war ers­ter Ort der Emi­gra­ti­on in den 1930er Jah­ren. Von dort stammt eine Lam­pe, die für die Fami­lie ins­ge­samt steht, eben­so eine aus New York, in Nähe des Hotel Bedford (heu­te: Ren­wick), wo die Manns wie­der­holt wohn­ten. Ein Schild „Mann Av.“ aus New York steht für die Fami­lie und den Namen „Mann“ als Gan­zes, auch für Micha­el und Moni­ka, nach denen kei­ne eige­ne Stra­ße benannt ist. 

Auf Los Ange­les ver­weist eine Leuch­te. Dort ließ Tho­mas Mann 1942 eine Vil­la bau­en, die er bis zur Rück­kehr nach Euro­pa 1952 bewohn­te, und die heu­te als Tho­mas Mann House als Resi­denz­haus ein Auf­ent­halts­ort für Sti­pen­dia­ten und Ort kul­tu­rel­len Aus­tauschs ist. Eine Leuch­te aus Kilch­berg in der Schweiz stellt eine Bezie­hung her zum Wohn­ort von Tho­mas und Katia, auch von Eri­ka (nach der in Zürich eine Stra­ße benannt ist) und zuletzt Golo, der aber in Lever­ku­sen ver­starb, und an den dort eine Stra­ße erinnert. 

Recher­che­rei­sen an die jewei­li­gen Orte sind Bestand­teil des Pro­jekts, eben­so eine Buch­pu­bli­ka­ti­on, die Hin­ter­grund und Ent­ste­hung des Denk­mals doku­men­tiert, ver­mit­telt und ergänzt, auch um die aktu­el­len Situa­tio­nen der Stra­ßen­schil­der und Leuch­ten vor Ort. 

Wettbewerb

Am 10.4.2019 hat der Stadt­rat Mün­chen beschlos­sen, den Ent­wurf von Albert Coers für ein Denk­mal für die Fami­lie Mann am Sal­va­tor­platz zu rea­li­sie­ren. Coers‘ Kon­zept mit dem Titel „Stra­ßen Namen Leuch­ten“ war von einer Fach­ju­ry im Rah­men eines Wett­be­werbs für Kunst im öffent­li­chen Raum aus­ge­wählt wor­den, zu dem das Kul­tur­re­fe­rat  2017 acht inter­na­tio­na­le Künst­le­rin­nen und Künst­ler ein­ge­la­den hat­te (Clegg & Gutt­mann, Albert Coers, Anni­ka Kahrs, Michae­la Mei­se, Michae­la Melián, Olaf Nico­lai, Timm Ulrichs, Palo­ma Var­ga Weisz).
Mit der Fer­tig­stel­lung des Denk­mals ist im Frühjahr/Sommer 2024 zu rechnen.

Die Initia­ti­ve, Tho­mas Mann ein Denk­mal zu set­zen, geht auf einen Stadt­rats­an­trag bereits von 2015 zurück: „Der Münch­ner Bür­ger und bedeu­ten­de Autor Tho­mas Mann ver­dient einen sicht­ba­ren Ehren­platz in der Stadt, die er zu sei­nem Lebensmit­telpunkt gemacht hat. Hier hat er lan­ge gelebt, gehei­ra­tet, ein Haus gebaut. Hier woll­te er bleiben.“
Der Fokus hat sich dabei erwei­tert: „Neben der his­to­ri­schen Bedeu­tung von Tho­mas Mann für Mün­chen wur­de deut­lich, dass der the­ma­ti­sche Schwer­punkt nicht nur auf Tho­mas Mann beschränkt sein darf. Eine künst­le­ri­sche Wür­di­gung des Nobel­preis­trä­gers ohne sei­nen fami­liä­ren Kon­text wür­de vie­le inter­es­san­te Facet­ten des Wir­kens der „Manns“ aus­klam­mern. Bei einer wei­te­ren per­ma­nen­ten künst­le­ri­schen Auf­wer­tung des öffent­li­chen Raums ist nun die lite­ra­ri­sche Bedeu­tung der gesam­ten Fami­lie Mann zu berück­sich­ti­gen.“ (Text nach der Ausschreibung).

Family man
Moni­ka, Micha­el, Golo, Katia, Tho­mas, Eli­sa­beth, Eri­ka, Klaus Mann, 1927, Mona­cen­sia Archiv


Ort

Der Stand­ort für das Denk­mal, der Sal­va­tor­platz, befin­det sich in unmit­tel­ba­rer Nach­bar­schaft zum Lite­ra­tur­haus und damit an einem der zen­tra­len Orte der Beschäf­ti­gung mit lite­ra­ri­schem Schaf­fen in Mün­chen. Er liegt in der Alt­stadt, zwi­schen dem Lite­ra­tur­haus, den Sal­vat­or­ga­ra­gen, einem denk­mal­ge­schütz­tem Bau aus den 1960er Jah­ren, und der Sal­va­tor­kir­che im Südosten.

Die Manns und München

Die Idee, Tho­mas Mann und sei­ner Fami­lie ein Denk­mal an zen­tra­ler Stel­le zu errich­ten, hat als Hin­ter­grund die gro­ße Bedeu­tung der Stadt für die Fami­lie, aber auch das ambi­va­len­te Ver­hält­nis zu ihr – sowie die Tat­sa­che, dass die Fami­lie in der sicht­ba­ren Gedächt­nis­kul­tur bis­her nicht die ihr zukom­men­de Prä­senz hat.

Tho­mas Mann, 1875 in Lübeck gebo­ren, kam 1894 als jun­ger Mann nach Mün­chen und leb­te dort über 30 Jah­re. Hier lern­te er sei­ne Frau Katia Pringsheim ken­nen, hier kamen die Kin­der Eri­ka und Klaus, Golo und Moni­ka, Eli­sa­beth und Micha­el zur Welt. Hier ent­stan­den die meis­ten sei­ner lite­ra­ri­schen Werke.

Doch nach der Macht­er­grei­fung der Natio­nal­so­zia­lis­ten 1933 emi­grier­te die Fami­lie Mann, leb­te fast 20 Jah­re im Exil, zuerst in Euro­pa, dann in den USA. Die Vil­la der Fami­lie in der Poschin­gen­stra­ße in Mün­chen wur­de beschlag­nahmt, Tho­mas Mann enteignet.
1952 kehr­te er end­gül­tig nach Euro­pa zurück. Die Wahl fiel auf die Schweiz. Eine Rück­kehr nach Mün­chen war für ihn aus­ge­schlos­sen. Sein ehe­ma­li­ger Wohn­sitz in Mün­chen wur­de wegen der Gefahr eines Zusam­men­bruchs mit sei­ner per­sön­li­chen Zustim­mung durch die Stadt Mün­chen abge­ris­sen. Tho­mas Manns Nach­lass ging an die Eid­ge­nös­si­sche Tech­ni­sche Hoch­schu­le in Zürich. Das umfang­rei­che lite­ra­ri­sche Erbe sei­ner Kin­der Klaus, Eri­ka, Micha­el, Moni­ka und Eli­sa­beth Mann befin­det sich in der Mona­cen­sia im Hildebrandhaus.