Der Salvatorplatz München, wo das Denkmal für die Familie Mann aufgestellt werden soll, wird schon mal „vorgewärmt“ und aktiviert: Schüler des Thomas-Mann-Gymnasiums erkundeten am 6.3.24 physisch den Platz, sie bildeten dort u.a. eine lebendige Kette um die Fläche, auf der Straßenschilder und Leuchten in Erinnerung an die Mitglieder der Familie Mann stehen werden. Und das bei Regen! Die Aktion ist Teil eines Programms zur Kunstvermittlung von Kunst im öffentlichen Raum an Schulen, geleitet von Barbara Dabanoğlu.
Foto: Jadranka Kosorcic
Schlagwort: München
Gewichtige Informationen
Als Ergänzungen zu den Straßenbenennungsschildern aus München sind Tafeln fertig geworden, die Informationen zu den Mitgliedern der Familie liefern und unterhalb der Schilder angebracht werden. Die Texte entstanden in Zusammenarbeit mit dem Kulturreferat der Stadt München, Abteilung Public History (ehemals Institut für Stadtgeschichte und Erinnerungskultur). Sie liefern Lebensdaten und knappe Biographien zu Thomas, Katia, Klaus, Erika, Golo Mann und Elisabeth Mann. Die technische Realisierung übernahm das Baureferat München.
Bislang gab es diese Schilder nur für Thomas, Klaus und Erika Mann. Insofern lag es für mich nahe, alle Münchner Straßennamen mit solchen Ergänzungsschildern zu versehen und um solche für Katia, Golo und Elisabeth Mann zu ergänzen. Zusatzinformationen sind somit integraler Bestandteil des Denkmals.
Die Schilder sind aus emailliertem Metall und daher im Vergleich zu ihrer Größe (15 x 45 cm) ziemlich schwer. Anlaß, die Schilder auf eine Personenwaage zu legen – und das Gewicht der Namen und Informationen zu testen.
Vortrag: Ein Denkmal für die Familie Mann, Tagung „Vor Ort: Erinnerung, Exil, Migration“, 3.9.2021
Am 3.9.2021 hält Albert Coers einen Vortrag zum Denkmal für die Familie Mann, auf der Online-Tagung „Vor Ort: Erinnerung, Exil, Migration“, Jahrestagung der Gesellschaft für Exilforschung in Kooperation mit dem NS-Dokumentationszentrum München, 3.–4.9.2021.
Die Jahrestagung 2021 beschäftigt sich mit Orten des Exils und der Migration und ihrem Verhältnis zu Erinnerungskulturen und regt den Austausch zwischen der Exilforschung und anderen Forschungsrichtungen an, die sich mit (erzwungener) Migration und Flucht befassen.
Mehr Informationen, Programm und Ameldung hier.
Straßenschilder aus München – unter Dach und Fach
Im Mai 2020 wurden die Schilder von Thomas Mann, Golo, Erika, Klaus, Elisabeth fertig, nach denen in München Straßen und Plätze benannt sind – und auch die extra angefertigten Schilder für Katia Mann, für die bisher noch keine Benennung existierte. Ich konnte sie beim Baureferat München abholen.
„Straßenschilder aus München – unter Dach und Fach“ weiterlesenKlaus Mann, Thomas Mann und der Frankfurter Engel
Die Unterschiede zwischen den einzelnen Manns und ihrer Rezeption treten auch in den Straßennamen und ihren Schildern zutage. Frankfurt ist eine der wenigen Städte – neben München die einzige – in der eine Straße oder ein Platz nach Klaus Mann benannt ist. Ich rufe bei der Stadt Frankfurt an und frage nach dem Schild, um es ins Denkmal einzubauen. „Thomas Mann können sie gleich haben, Klaus Mann haben wir leider gerade nicht“ ist die Auskunft.
„Klaus Mann, Thomas Mann und der Frankfurter Engel“ weiterlesenKonzept
Das Denkmal für die Familie Thomas Mann besteht aus Schildern von Straßen, die nach Mitgliedern der Familie benannt sind, und aus 15 Straßenleuchten. Diese stammen aus München, aber auch aus anderen Orten der Welt, die mit der Familie Mann in Bezug stehen, mit Thomas Mann, seiner Frau Katia und ihren Kindern Klaus, Erika, Golo, Elisabeth, Michael und Monika.
In Schildern und Leuchten spiegelt sich die Internationalität der Familie Mann wider, von München ausgehend, mit Lebens- und Wirkungsorten in Europa, den USA und Südamerika, gleichzeitig ihre weltweite literarische Ausstrahlung und Bedeutung. Dies ist auch anhand der unterschiedlichen Straßenbezeichnungen (Via, Rue, Rua…) ablesbar. Die Aufstellung orientiert sich an der Lage der Orte zueinander und bildet eine imaginäre Karte. Angesprochen sind Aspekte von Ortsverbundenheit, gleichzeitig Emigration, Ortswechsel sowie grenzüberschreitendem Weltbürgertum, wofür die Familie als Beispiel gelten kann.
Ausgangspunkt sind Situationen in München, dem langjährigen Lebensmittelpunkt der Familie. Hier gibt es inzwischen mehrere Straßen und Plätze, die nach Mitgliedern der Familie benannt sind, nach Erika, Klaus, Elisabeth, Golo. Jedoch liegen diese an wenig frequentierten Orten, in Neubaugebieten, an der Peripherie, sind so im kollektiven Gedächtnis wenig präsent. Diese Schilder, samt der Lampen, an denen sie befestigt sind, werden ins Zentrum der Stadt gebracht, als Gruppe versammelt und dadurch stärker sichtbar. Es findet eine „Familienzusammenführung“ statt. Gleichzeitig verweisen Schilder und Lampen zurück auf ihre ursprünglichen Standorte. Damit betont das Denkmal den Bezug zu urbanen Strukturen.
Namen
Für Katia Mann, nach der bisher keine Straße und kein Platz benannt ist, wird ein neues Schild geschaffen. Angebracht ist es an einer auf dem Platz vorhandendenen Leuchte, die um wenige Meter versetzt und so in die Gruppe der weiteren Leuchten des Denkmals einbezogen wird.
Dies macht „Frau Thomas Mann“ stärker im Bezug zur Stadt sichtbar, war sie doch gebürtige Münchnerin und entstammte der jüdischen Familie Pringsheim, die, wie die Manns, ihren Besitz verloren und emigrieren mussten. Die Benennung im Denkmal nimmt vorweg, was eigentlich ein langwieriger Prozess wäre. Diese Mischung von Realität und Fiktion ist auch Verweis auf literarische Verfahren, wie sie Thomas oder auch Klaus Mann praktizierten.
Leuchten
Neben Leuchten und Schildern aus München, die erinnern an Thomas, Erika, Klaus, Golo Mann und Elisabeth Mann Borgese, zeigen weitere die Spannweite zwischen Europa, Nord- und Südamerika, stellen Bezüge her.
Ein Straßenschild „Rue Thomas Mann“ stammt aus Paris und wird gemäß der dort üblichen Anbringung an der Wand der Salvatorgarage zu sehen sein. Lübeck ist als Geburtsort von Thomas Mann und Schauplatz von „Buddenbrooks“ vertreten, mit einer Lampe vor der dortigen Thomas-Mann-Schule und einem Schild nach Thomas-Mann-Straße. Aus Frankfurt stammen Lampe und Schild vom Klaus-Mann-Platz, Standort eines Denkmals für verfolgte Homosexuelle von Rosemarie Trockel („Frankfurter Engel“); damit ist ein Bestandteil der Identität mehrerer Familienmitglieder inbegriffen.
Rom ist mit dem Schild „Via Thomas Mann“ und Leuchte präsent als Aufenthaltsort von Thomas (und Heinrich) Mann in jungen Jahren. Für den südamerikanischen Teil (Thomas Manns Mutter Julia stammte aus Brasilien) stehen Straßenlampe/Schild aus São Paulo.
Eine Leuchte kommt dagegen aus Nida/Nidden in Litauen, bevorzugte Sommerfrische der Familie Mann, wo sie vor dem Ferienhaus der Manns steht, heute Thomas-Mann Haus, ein Kulturzentrum und Museum. Sanary-Sur-Mer an der Côte d’Azur war erster Ort der Emigration in den 1930er Jahren. Von dort stammt eine Lampe, die für die Familie insgesamt steht, ebenso eine aus New York, in Nähe des Hotel Bedford (heute: Renwick), wo die Manns wiederholt wohnten. Ein Schild „Mann Av.“ aus New York steht für die Familie und den Namen „Mann“ als Ganzes, auch für Michael und Monika, nach denen keine eigene Straße benannt ist.
Auf Los Angeles verweist eine Leuchte. Dort ließ Thomas Mann 1942 eine Villa bauen, die er bis zur Rückkehr nach Europa 1952 bewohnte, und die heute als Thomas Mann House als Residenzhaus ein Aufenthaltsort für Stipendiaten und Ort kulturellen Austauschs ist. Eine Leuchte aus Kilchberg in der Schweiz stellt eine Beziehung her zum Wohnort von Thomas und Katia, auch von Erika (nach der in Zürich eine Straße benannt ist) und zuletzt Golo, der aber in Leverkusen verstarb, und an den dort eine Straße erinnert.
Recherchereisen an die jeweiligen Orte sind Bestandteil des Projekts, ebenso eine Buchpublikation, die Hintergrund und Entstehung des Denkmals dokumentiert, vermittelt und ergänzt, auch um die aktuellen Situationen der Straßenschilder und Leuchten vor Ort.
Wettbewerb
Am 10.4.2019 hat der Stadtrat München beschlossen, den Entwurf von Albert Coers für ein Denkmal für die Familie Mann am Salvatorplatz zu realisieren. Coers‘ Konzept mit dem Titel „Straßen Namen Leuchten“ war von einer Fachjury im Rahmen eines Wettbewerbs für Kunst im öffentlichen Raum ausgewählt worden, zu dem das Kulturreferat 2017 acht internationale Künstlerinnen und Künstler eingeladen hatte (Clegg & Guttmann, Albert Coers, Annika Kahrs, Michaela Meise, Michaela Melián, Olaf Nicolai, Timm Ulrichs, Paloma Varga Weisz).
Mit der Fertigstellung des Denkmals ist voraussichtlich im Frühjahr 2024 zu rechnen.
Die Initiative, Thomas Mann ein Denkmal zu setzen, geht auf einen Stadtratsantrag bereits von 2015 zurück: „Der Münchner Bürger und bedeutende Autor Thomas Mann verdient einen sichtbaren Ehrenplatz in der Stadt, die er zu seinem Lebensmittelpunkt gemacht hat. Hier hat er lange gelebt, geheiratet, ein Haus gebaut. Hier wollte er bleiben.“
Der Fokus hat sich dabei erweitert: „Neben der historischen Bedeutung von Thomas Mann für München wurde deutlich, dass der thematische Schwerpunkt nicht nur auf Thomas Mann beschränkt sein darf. Eine künstlerische Würdigung des Nobelpreisträgers ohne seinen familiären Kontext würde viele interessante Facetten des Wirkens der „Manns“ ausklammern. Bei einer weiteren permanenten künstlerischen Aufwertung des öffentlichen Raums ist nun die literarische Bedeutung der gesamten Familie Mann zu berücksichtigen.“ (Text nach der Ausschreibung).
Ort
Der Standort für das Denkmal, der Salvatorplatz, befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft zum Literaturhaus und damit an einem der zentralen Orte der Beschäftigung mit literarischem Schaffen in München. Er liegt in der Altstadt, zwischen dem Literaturhaus, den Salvatorgaragen, einem denkmalgeschütztem Bau aus den 1960er Jahren, und der Salvatorkirche im Südosten.
Die Manns und München
Die Idee, Thomas Mann und seiner Familie ein Denkmal an zentraler Stelle zu errichten, hat als Hintergrund die große Bedeutung der Stadt für die Familie, aber auch das ambivalente Verhältnis zu ihr – sowie die Tatsache, dass die Familie in der sichtbaren Gedächtniskultur bisher nicht die ihr zukommende Präsenz hat.
Thomas Mann, 1875 in Lübeck geboren, kam 1894 als junger Mann nach München und lebte dort über 30 Jahre. Hier lernte er seine Frau Katia Pringsheim kennen, hier kamen die Kinder Erika und Klaus, Golo und Monika, Elisabeth und Michael zur Welt. Hier entstanden die meisten seiner literarischen Werke.
Doch nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 emigrierte die Familie Mann, lebte fast 20 Jahre im Exil, zuerst in Europa, dann in den USA. Die Villa der Familie in der Poschingenstraße in München wurde beschlagnahmt, Thomas Mann enteignet.
1952 kehrte er endgültig nach Europa zurück. Die Wahl fiel auf die Schweiz. Eine Rückkehr nach München war für ihn ausgeschlossen. Sein ehemaliger Wohnsitz in München wurde wegen der Gefahr eines Zusammenbruchs mit seiner persönlichen Zustimmung durch die Stadt München abgerissen. Thomas Manns Nachlass ging an die Eidgenössische Technische Hochschule in Zürich. Das umfangreiche literarische Erbe seiner Kinder Klaus, Erika, Michael, Monika und Elisabeth Mann befindet sich in der Monacensia im Hildebrandhaus.