Im Juni 2019, also vor fast einem Jahr, war ich in Rom und Palestrina, um die nach Thomas Mann benannten Straßen zu erkunden, im Hinblick auf das Denkmal für die Manns in München. Im Rückblick auch interessant, wie selbstverständlich das Reisen und die Bewegung in öffentlichen Raum war – im Kontrast zur Jetztzeit, 2020.
„„Auf der Suche nach sich selbst“ – Rom und Palestrina“ weiterlesenSchlagwort: Rom
Konzept
Das Denkmal für die Familie Thomas Mann besteht aus Schildern von Straßen, die nach Mitgliedern der Familie benannt sind, und aus 15 Straßenleuchten. Diese stammen aus München, aber auch aus anderen Orten der Welt, die mit der Familie Mann in Bezug stehen, mit Thomas Mann, seiner Frau Katia und ihren Kindern Klaus, Erika, Golo, Elisabeth, Michael und Monika.
In Schildern und Leuchten spiegelt sich die Internationalität der Familie Mann wider, von München ausgehend, mit Lebens- und Wirkungsorten in Europa, den USA und Südamerika, gleichzeitig ihre weltweite literarische Ausstrahlung und Bedeutung. Dies ist auch anhand der unterschiedlichen Straßenbezeichnungen (Via, Rue, Rua…) ablesbar. Die Aufstellung orientiert sich an der Lage der Orte zueinander und bildet eine imaginäre Karte. Angesprochen sind Aspekte von Ortsverbundenheit, gleichzeitig Emigration, Ortswechsel sowie grenzüberschreitendem Weltbürgertum, wofür die Familie als Beispiel gelten kann.
Die bauliche Fertigstellung des Denkmals ist für Frühjahr/Sommer 2024 geplant.
Ausgangspunkt sind Situationen in München, dem langjährigen Lebensmittelpunkt der Familie. Hier gibt es inzwischen mehrere Straßen und Plätze, die nach Mitgliedern der Familie benannt sind, nach Erika, Klaus, Elisabeth, Golo. Jedoch liegen diese an wenig frequentierten Orten, in Neubaugebieten, an der Peripherie, sind so im kollektiven Gedächtnis wenig präsent. Diese Schilder, samt der Lampen, an denen sie befestigt sind, werden ins Zentrum der Stadt gebracht, als Gruppe versammelt und dadurch stärker sichtbar. Es findet eine „Familienzusammenführung“ statt. Gleichzeitig verweisen Schilder und Lampen zurück auf ihre ursprünglichen Standorte. Damit betont das Denkmal den Bezug zu urbanen Strukturen.
Namen
Für Katia Mann, nach der bisher keine Straße und kein Platz benannt ist, wird ein neues Schild geschaffen. Angebracht ist es an einer auf dem Platz vorhandendenen Leuchte, die um wenige Meter versetzt und so in die Gruppe der weiteren Leuchten des Denkmals einbezogen wird.
Dies macht „Frau Thomas Mann“ stärker im Bezug zur Stadt sichtbar, war sie doch gebürtige Münchnerin und entstammte der jüdischen Familie Pringsheim, die, wie die Manns, ihren Besitz verloren und emigrieren mussten. Die Benennung im Denkmal nimmt vorweg, was eigentlich ein langwieriger Prozess wäre. Diese Mischung von Realität und Fiktion ist auch Verweis auf literarische Verfahren, wie sie Thomas oder auch Klaus Mann praktizierten.
Leuchten
Neben Leuchten und Schildern aus München, die erinnern an Thomas, Erika, Klaus, Golo Mann und Elisabeth Mann Borgese, zeigen weitere die Spannweite zwischen Europa, Nord- und Südamerika, stellen Bezüge her.
Ein Straßenschild „Rue Thomas Mann“ stammt aus Paris und wird gemäß der dort üblichen Anbringung an der Wand der Salvatorgarage zu sehen sein. Lübeck ist als Geburtsort von Thomas Mann und Schauplatz von „Buddenbrooks“ vertreten, mit einer Lampe vor der dortigen Thomas-Mann-Schule und einem Schild nach Thomas-Mann-Straße. Aus Frankfurt stammen Lampe und Schild vom Klaus-Mann-Platz, Standort eines Denkmals für verfolgte Homosexuelle von Rosemarie Trockel („Frankfurter Engel“); damit ist ein Bestandteil der Identität mehrerer Familienmitglieder inbegriffen.
Rom ist mit dem Schild „Via Thomas Mann“ und Leuchte präsent als Aufenthaltsort von Thomas (und Heinrich) Mann in jungen Jahren. Für den südamerikanischen Teil (Thomas Manns Mutter Julia stammte aus Brasilien) stehen Straßenlampe/Schild aus São Paulo.
Eine Leuchte kommt dagegen aus Nida/Nidden in Litauen, bevorzugte Sommerfrische der Familie Mann, wo sie vor dem Ferienhaus der Manns steht, heute Thomas-Mann Haus, ein Kulturzentrum und Museum. Sanary-Sur-Mer an der Côte d’Azur war erster Ort der Emigration in den 1930er Jahren. Von dort stammt eine Lampe, die für die Familie insgesamt steht, ebenso eine aus New York, in Nähe des Hotel Bedford (heute: Renwick), wo die Manns wiederholt wohnten. Ein Schild „Mann Av.“ aus New York steht für die Familie und den Namen „Mann“ als Ganzes, auch für Michael und Monika, nach denen keine eigene Straße benannt ist.
Auf Los Angeles verweist eine Leuchte. Dort ließ Thomas Mann 1942 eine Villa bauen, die er bis zur Rückkehr nach Europa 1952 bewohnte, und die heute als Thomas Mann House als Residenzhaus ein Aufenthaltsort für Stipendiaten und Ort kulturellen Austauschs ist. Eine Leuchte aus Kilchberg in der Schweiz stellt eine Beziehung her zum Wohnort von Thomas und Katia, auch von Erika (nach der in Zürich eine Straße benannt ist) und zuletzt Golo, der aber in Leverkusen verstarb, und an den dort eine Straße erinnert.
Recherchereisen an die jeweiligen Orte sind Bestandteil des Projekts, ebenso eine Buchpublikation, die Hintergrund und Entstehung des Denkmals dokumentiert, vermittelt und ergänzt, auch um die aktuellen Situationen der Straßenschilder und Leuchten vor Ort.